Die beste Jeanslänge
Weil es mir gerade eben beim Fahren auf der Rolltreppe aufgefallen ist: Wo enden Jeanshosenbeine eigentlich idealerweise? Am Boden? Am Schuhrand? Am Knöchel? Und sind Stulpen ok. oder zu schirch?
Es gibt Fragen, die stellt man sich immer wieder und weiß gleichzeitig, es gibt keine befriedigende Antwort drauf. Warum verstauben neben meinem Bett fünf angelesene Bücher? Wie viel Parfum ist zu viel? Wo beginnt der Schwungknick im Lidstrich und wohin führt er? Warum dreht sich das Sackerl von der Bäckerei in der Tasche prinzipiell um und verstreut beim Rausnehmen Zuckerbrösel über den gesamten Inhalt?
In diese existentialistische, nachgerade verstörende Leere führt auch die Frage nach der idealen Länge von Jeanshosenbeinen. Wo muss der verdammte Saum das Bein schneiden, damit die Proportionen stimmen und man nicht aussieht wie ein ehemaliger Direktor der Wiener Kunsthalle? „Gstockert“ sagt man in der Steiermark zum unglücklichen Rumpf-Beinlängen-Verhältnis. „Gstockert“. Ästhetisches Todesurteil.
Seit Jahren also wird am Jeansbein experimentiert, es war schon alles da: der durch Dreck, Regen und Schneegatsch schleifende Saum. Die hinter die Hitop-Lasche geklemmten Drainpipes. Die wurstartig aufgekrempelte Stulpe. Brachte mir den unvergesslichen Satz „Du schaust aus wie ein Oi Skin.“ ein. Ein Kompliment mit der Wucht einer Faustwatschn. Der beherzte Schnitt durch den Stoff, um das Ende diffus ausfransen zu lassen. Das vergebliche Googeln nach einer goldenen Längenregel.
Auf der Rolltreppe hab ich dann also unlängst das ideale Jeansbein gesichtet. Es endete gerade ein Alzerl zu hoch über dem Knöchel, 2 Millimeter Hochwasser, eine Seite unabsichtlich hinten rauf umgeschlagen, ein Babyfingerbreit Platz zwischen Stoff und Socke. Ich wollte es fotografieren, um es in meine imaginäre Hosen-„Wall of Fame“ zu pinnen, hab mich aber nicht getraut. Irgendwo fährt es noch herum. In Wien. Perfektion. Ich weine.
Foto: Orlando Globey via The Selvedge Yard