Videos, die man nicht versteht: Lykke Li – Gunshot

Videos, die man nicht versteht: Lykke Li – Gunshot

Auf Lykke Li ist Verlass. Einmal mehr hat die schwedische Sängerin ein Video veröffentlicht, dessen Sinn sich auch nach dem x-ten Mal Anschauen nicht recht erschließen mag. „Gunshot“ ist weird genug, um den seit „I Follow Rivers“ angehäuften Massenfankreis nachhaltig zu vergraulen und einem selber vor Augen zu führen, dass man auf der nach oben offenen Jon-Snow-Skala aber auch schon nichts weiß.

Verfilzte Haare, gekalkter Teint irgendwo zwischen Kabuki, Witchhouse und Corpsepaint, ein Trenchcoat, der so wirkt, als hätte sie die letzten Wochen drin gelebt, dazu flattrige Hosen und Tanzbewegungen, die kleine Kinder das Fürchten lehren. Lykke Li steht auf einem Parkplatz, die Stadt am dreckigen Horizont kaum zu erahnen, die Muster aus Hochspannungsmasten und Straßenlaternen unlesbar. Es ist heiß, staubig, grau, der Asphalt bröckelt, die Sonne ein müder Kreis. Die Menschen ringsum eine Kolonie aus „The Walking Dead“, im Boden klafft ein Schützengraben.

I was dreaming about you honey, I was hoping you’d save me

Lykke Li kümmert es nicht, sie ist damit beschäftigt, sich aufrecht zu halten, aus imaginären Schusslinien zu torkeln. Hier zu fallen, keine gute Idee. Plötzlich Bewegung, eine Kindergang greift an, Lykke Li stürzt zu Boden, rappelt sich wieder auf, die Männer im Auto gaffen, obszöne Gesten. Menschen schreien sich an, Deals für den Hahnenkampf werden angebahnt, Gewichte gestemmt, Bücher gelesen, Bootys getwerkt, als wäre hier das cheapste Springbreakers-MDMA im Spiel. Wreckingball, Endlosschleife.

I am siren, I am ivy

Lykke Li entkommt durch den Graben, schleppt sich auf den Asphalt zurück, die Sonne versinkt. Letzter Akkord. Plinker. Aus.

And the shot goes through my head and back

Wird hier der Nahostkonflikt verhandelt? Die Kampfzone ausgeweitet? Das „I Follow Rivers“-Konsenspublikum verarscht? Eine Make-up-Kollektion angeteast? Der neue Peugeot 108 beworben? Man weiß es nicht. Und genau das macht „Gunshot“ so großartig. Fantastisch, dass so was durchgeht.

Foto: Lykke Li